Sturm im Engadin, 1897

Alphons v. Flugi schreibt im Bündnerischen Monatsblatt:

“Juli 1. Auf diese grosse Hitze Ende Juni trat am 1. Juli nachm. 2 Uhr der Föhn mit aller Macht ein und ein ausserordentlich heftiges Gewitter mit Hagel entlud sich für kurze Zeit über das ganze Tal.

Gleichzeitig tobte während 10 Minuten ein solch orkanartiger Sturm, wie man nach Aussage alter Leute im Oberengadin seit dem Jahre 1834 nicht mehr erlebt hatte.

Fuhrwerke wurden zu Boden geworfen, Personen, die sich im Freien befanden, konnten sich nur mit Mühe aufrecht halten; Ziegel, Balken und ganze Kamine wurden von den Dächern auf die Strasse geschleudert und Häuser gänzlich abgedeckt (in Madulein drei Häuser, in St. Moritz ein Stall).

Von den Halden längs des Silsersees fielen grosse Steine auf die Landstrasse und gefährdeten für kurze Zeit den Verkehr.

Auf dem Hahnensee (2160 m) ob St. Moritz-Bad wurden die eisernen Stühle von der Terasse vor dem Restaurant über die Felsen herabgeworfen, das Dach des Restaurants abgerissen und das Wasser des Sees wie eine riesige Wassersäule turmhoch in die Höhe geschleudert, worauf die herunterstürzenden Wassermengen die Ufer überfluteten.

Ganz besonders grossen Schaden hat der Sturm in den *Waldunge*n angerichtet. Hunderte von Arvenkronen lagen gefällt am Boden und die kräftigsten Baumstämme wurden geknickt und entwurzelt. Allein im Walde Champagna (Samaden) fielen 200 Stämme dem Sturmwinde zum Opfer."
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Quelle Flugi, Alphons v.: Beiträge zur Naturchronik und Klimatologie des Ober-Engadins 1850-1900 [Fortsetzung und Schluss]. Bündnerisches Monatsblatt: Zeitschrift für bündnerische Geschichte, Landes- und Volkskunde, Band 1921, Heft 8