Das Hochwasser 1871 in Graubünden

“Die Tage vom 17—20 Juni drohten wieder mit einem gewaltigen Hochwasser, das mancherorts nicht viel hinter demjenigen von 1868 zurückblieb, indessen doch unserem Lande weniger Schaden that als im so oft heimgesuchten St. Gallischen Rheinthale und gegenüberliegenden Fürstenthum Lichtenstein.

Am bedeutendsten litten überhaupt die Flussgebiete des Rheins und des Inns.

In Thusis fand ein dreimaliger Dammdurchbruch an den Arbeiten der Rheinkorrection statt, während die kaum begonnene Verbauung des Nollabaches sich bereits glänzend bewährte.

Auch bei Rothenbrunnen drang der Fluss ein.

Weiter abwärts litt besonders Haldenstein, wo die Wuhrarbeiten des Frühlings zerstört wurden.

Am Vorderrhein haben insbesondere Ilanz, Kästris und Schleuis nicht nur bedeutenden Schaden an Wuhrungen und verehertem Boden erlitten, sondern durch den Glenner ist auch eine Unmasse Geschiebe herabgetragen und dadurch das Glenner- und Rheinbett bedeutend erhöht worden.

In Surrhein wurden eine Brücke und ein Haus fortgerissen, und auch Vals hatte bedeutenden Schaden an seinen neuen Wuhrungen zu beklagen; ausserdem wurde sein Gebiet an mehreren Stellen verheert.

Im Oberengadin war der Innstand so hoch wie 1868, und verursachte namentlich der Flatzbach einen 40—50 Klafter langen Wuhrdurchbruch.

Im Unterengadin war der Schaden verhältnissmässig bedeutender als 3 Jahre zuvor; bei Schuls riss der Inn die neue Brücke nach Pradella fort, im Scarltal riss die Clemgia sämmtliche Brücken fort und schwemmte über 500 Klafter zugerüsteten Holzes weg.

Beim Tarasper Kurhause litten die Dämme und standen einzelne Quellen in Gefahr.

Auch in Puschlav fand ein mässiger Dammbruch statt.

Im ganzen Kanton betrug der amtlich ermittelte Schaden für Gemeinden und Private etwas über 211‘000 Fr."
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Quelle Naturchronik 1871. Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft Graubünden. Band 17 (1872-1873)