Der Lawinenwinter 1915/1916 in Graubünden

Februar 1916.
“Besonders ausgezeichnet hat sich der Februar durch häufigen, zum Teil äusserst reichlichen Schneefall, abwechselnd mit Regen. (…)

Auch in den übrigen Teilen des Kantons, besonders in den Hochlagen, ist überall ausserordentlich viel Schnee gefallen. So wurde nach den Schneefällen anfangs der zweiten Monatshälfte in der Tagespresse gemeldet: Neuschnee in Davos und Arosa je 1,20 m, auf der Strecke Klosters-Davos der Rhätischen Bahn teilweise über 2 m.

Lawinen: Zufolge der grossen Schneemassen und der herrschenden warmen Witterung entstanden in den Bergen zahlreiche Lawinen, welche vielerorts Verkehrsstörungen und zum Teil auch grossen Schaden und Unglücksfälle verursachten.

So ist am 16. Dr. A. Versell am Umbrail in einer Lawine umgekommen. Am 20. verunglückten in einer gewaltigen Lawine in der Es-chia-Alp ob Madulein die Skifahrer Hoffmann und Perret. Und am 24. fand der in der Klosteralp hinter Valcava auf Wache stehende Soldat Anhorn in einer Lawine den Tod.

In Malix gingen am 20. zwei Lawinen nieder, die eine vor und die andere hinter dem Hof Spina. Die eine drang hinter der Mühle bis auf die Strasse herunter und überschüttete diese.

Im Schlappintal ob Klosters-DörfIi ging am Samstag, 19., früh eine grössere Lawine nieder, welche die Zuleitung zum Wasserschloss des dortigen Elektrizitätswerkes zudeckte, wodurch der Wasserzufluss gestaut wurde. Die Folge war, dass das elektrische Licht für die Prätigauer Dörfer ausblieb. Die Störung konnte rasch wieder behoben werden.

In St. Antonien gegenüber Castels-Platz hat eine Lawine einen leeren Stall fortgerissen. Wegen der Lawinengefahr hatte die Post nach St. Antonien den Verkehr eingestellt.

Avers war infolge Lawinenfalls bei Ferrera abgeschlossen.

Durch zahlreiche Lawinen blieb auch die Strasse Versam-Safien eine Zeitlang gesperrt.

Im NoIIagebiet ist durch das Maranertobel eine gewaltige Lawine niedergegangen. Sie hat im Walde grosses Unheil angerichtet. Durch das Donnern aufmerksam gemacht, konnten Leute in Tschappina durch das Fernrohr beobachten, wie eine Gemse sich aus den Trümmern derselben befreien und retten konnte.

Grosse Schwierigkeiten bot der Verkehr über den Julier.

Splügen und Bernhardin mussten geschlossen werden.

Die Berninabahn war vom 23.—28. unterbrochen.

Herr A. Flugi berichtete aus dem Oberengadin: „Da der gefallene Schnee locker auflag und zudem die grösseren Schneefälle bei relativ hoher Temperatur stattgefunden hatten, sind auch in unserem Tale mehrere grössere Lawinenstürze erfolgt, zum grossen Teil als Staublawinen.

Aus der Val d’Urezza bei Zuoz drang eine Lawine bis fast zur Landstrasse vor; zwischen Ponte – Au ging eine Lawine bis zum Inn ab.

Vom Piz Piadella stürzte an den Gebirgshängen ob Samaden eine weitere Lawine herunter, welche die der Gemeinde gehörige Alphütte Muntatsch verschüttete.

Bei Sils-Baselgia ging eine kleinere Staublawine nieder."
.

März 1916.
“Lawinen: Auch im Monat März sind zufolge der gewaltigen Schneemassen, welche sich im Gebirge angesammelt hatten, zahlreiche Lawinen niedergegangen.

Aus dem Oberengadin erwähnt Hr. Flugi folgende: Von der Muotta Pitschna bei Scanfs hat eine Lawine eine grössere Anzahl Bäume mitgerissen.

Bei den Berninahäusern kam vom Piz Albris eine grössere Lawine herunter, welche den Bahnkörper der Berninabahn verschüttete und eine kurze Verkehrsunterbrechung daselbst zur Folge hatte.

In der Nähe der Juliersäulen (Passhöhe) sind mehrere grosse Lawinenstürze erfolgt, die die Landstrasse erreichten ; der Schlittweg geht daselbst an einzelnen Stellen über 8—10 m hohen Lawinenschnee hinweg.

Auch von Muottas-Muragl, im Rosegtal und längs des Silsersees sind kleinere Lawinen niedergegangen, ohne etwelchen Schaden anzurichten.

Das Aversertal war infolge Verschüttung der Strasse durch Lawinen von der Aussenwelt abgeschnitten.

Eine mächtige Lawine ging am 3. März im Medelsertal zwischen Platta und S. Roc nieder, welche die Lukmanierstrasse verschüttete, den Medelserrhein staute und grosse Schneemassen auf die entgegengesetzte Talseite warf. Alte Leute können sich nicht erinnern, an jener Stelle Lawinen von solcher Grösse beobachtet zu haben. („B. Tagbl.")

Ausserordentlich zahlreiche Lawinen hatte ferner das Lugnez. Ausserhalb Furth ging die grosse Lawine von der Pala de Tgiern bis zum Glenner hinunter. Der Wagenverkehr auf der Strasse daselbst wurde durch Umsteigen aufrecht erhalten. Einzig auf der Strecke zwischen St. Martin und Lunschania sind nicht weniger als 25 grössere oder kleinere Lawinen gezählt worden. Der Wald von St. Martin wurde vom Lawinenschnee angefüllt.

Auch aus der Mesolcina brachte die Tagespresse Nachrichten über grosse Schneefälle und Lawinen. Der innere Teil des Calancatals war durch Lawinen abgesperrt und die Telephonlinie unterbrochen. Grosse Sorge hatte man um das Dorf Rossa, das am meisten von Lawinen bedroht ist."
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April 1916.
Hinter Pusserein (Schiers) hat diesen Winter eine Staublawine etwa sieben Heuschober zerstört und zum Teil bis ins Tobel heruntergerissen.

Im Rosegtal sind dieses Jahr den zahlreichen Lawinen viele Gemsen zum Opfer gefallen. Man schätzt deren Zahl nach den zum Vorschein gekommenen Leichen auf über 50."
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Juni 1916.
Aus dem Rheinwald tragen wir nach, dass auch dort laut einer Korrespondenz im „Fr. Rätier" Ende April und Anfang Mai gewaltige Lawinen niedergegangen sind. So gegenüber dem Dorfe Hinterrhein eine solche von ungewöhnlicher Breite, welche nicht nur den Rhein staute, sondern sich am gegenüberliegenden Talhange noch emporschob.

Ferner fuhr gegenüber dem Dorfe Medels die grösste der vielen Guggernüll-Lawinen mit ausserordentlicher Wucht zu Tal, mit der Spitze den daselbst beträchtlich entfernten Rhein erreichend."

Quelle Naturchronik 1916. Jahresbericht der Naturforschenden Gesellschaft Graubünden. Band 57 (1916-1917)

46.4786 9.82914 red
46.4383 9.75112 red
46.5527 9.5524 red

Der Lawinenwinter 1916 in der Geschichte Graubündens.

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