Das Hochwasser 1834 in Graubünden

Am 27. August 1834 erlitten die Kantone Graubünden, Wallis, Tessin, Uri und Glarus gewaltige Hochwasserschäden.

In Graubünden führten Rhein, Moesa, Maira, Inn und Poschiavino Hochwasser und verwüsteten die Täler. Schwer betroffen wurde das Misox; allein im Flecken Roveredo wurden 20 Häuser weggerissen. Im weiteren kam es im Rheinwald, Schams, Vals und Tavetsch (bis Ilanz) zu schrecklichen Verheerungen.
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Quelle Lanz-Stauffer, H.; Rommel, C.: Elementarschäden und Versicherung. Studie des Rückversicherungsverbandes kantonal-schweizerischer Feuerversicherungsanstalten zur Förderung der Elementarschadenversicherung. Band II. Rückversicherungsverband, Bern, 1936. Im Selbstverlag.
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Gion Caviezel präsentiert in seiner Lizenziatsarbeit detailierte Informationen zu den Auswirkungen des Hochwassers 1834:

Im Oberengadin begann es in der Nacht vom 26. auf den 27. August 1834 in Strömen zu regnen. (…). Am darauf folgenden Tag zogen heftige Gewitter mit Wolkenbrüchen vom Gotthard über Graubünden her. In den südlichen Tälern und im Südwesten setzten starke Regenfälle erst am 28. August ein.

Vorder- und Hinterrhein, Moesa, Maira, Inn, Poschiavino und viele Neben- und Wildbäche traten daraufhin über die Ufer. Die von ihnen mitgeführte grosse Geschiebe- und Treibholzmenge richtete überall Verwüstungen an.

Weil während des ganzen Extremereignisses ein recht heisser Südwind wehte, wälzten sich auch die Eismassen geborstener Gletscher zerstörend in den Fluten daher. Ebenso lösten sich durch den Föhn die alten Schneelager in stürzende Bäche auf, und in höher gelegenen Orten fiel vereinzelt starker Hagel. Inwieweit dies auch für das Oberengadin und die Alpensüdseite zutrifft, ist aus den Quellen nicht zu erschliessen.

In mehreren Dörfern des Oberengadins strömte das Wasser der übergetretenen Wildbäche durch die Dorfstrassen, wodurch teilweise Keller, Ställe und der untere Teil der Häuser mit Wasser, Sand und Schlamm gefüllt wurden.

Im Fextal riss der Bach beispielsweise neun Brücken bzw. Stege mit sich. Das vom Fexbach mitgeführte Holzwerk, das auch aus den zerstörten Brücken bestand, staute wiederum bei der auf Felsen ruhenden stabilen Brücke in Platta die Wassermassen, so dass diese trotz anhaltenden starken Regens weiter unten begannen zurückzugehen.

Beim Bruch der Brücke am 27. August stürzten die Wassermassen gegen Sils-Maria und überschwemmten dessen Häuser bis zur Kirche in wenigen Augenblicken. Keller und Ställe wurden dabei überschwemmt und die unteren Räume der Häuser waren fast ganz mit Schlamm angefüllt. Viele Bewohner retteten sich auf die höher gelegenen Mühlen. Zudem füllte das von den Wassermassen mitgeführte Geschiebe das Bachbett an, so dass der durchs Dorf strömende Bach bald überall auszubrechen drohte. Die Dorfstrasse wurde zu einem Bachbett ausgefressen, und die Silser Wiesen wurden von Geröll und Sand verwüstet. Am 28. August schien in Sils wieder die Sonne.

Surlej wurde aufgrund der grossen Schäden und Zerstörungen durch das Hochwasser endgültig von den Bewohnern verlassen. Sie zogen vereinzelt nach Silvaplana. Die Wohnungen wurden dem Verfall überlassen. Bis ins 20. Jahrhundert erinnerten nur noch die Häuserruinen sowie die kleine Kirche an den Weiler, der einst ein paar Dutzend Häuser zählte.

In Chamues-ch rissen die Wassermassen alle neu erbauten Wuhren, die bereits durch das Hochwasser von 1817 zerstört wurden, sowie die hölzerne Innbrücke mit sich. Die über die Ufer und durch die Strassen strömenden Wassermassen füllten den unteren Teil der Häuser, Ställe und Keller mit Sand und Schlamm. Ausserdem überdeckten Felstrümmer und ein bis zu fünf Fuss hohes Geschiebe die Wiesen von Chamues-ch vollständig. Ferner wurde auch der Wald von Chamues-ch stark beschädigt.

Der Inn und die ihm zufliessenden Wildbäche überschwemmten die ganze Talsohle von Pontresina und jene von Celerina bis Zuoz, was ebenfalls zu zahlreichen Schäden führte.

Stark betroffen vom Hochwasser waren auch das Bergell und Puschlav sowie das Misox und die Talschaften östlich des Gotthardgebietes.

Im Puschlav führten die Wildbäche gewaltige, teilweise von den niedergegangenen Rüfen herstammende Schuttmassen aus Holz, Steinen, Geröll und Sand mit sich ins Tal, wo sie sich über den grössten Teil der Wiesen ausbreiteten und diese mit bis zu fünf Fuss hohem Geschiebe bedeckten.

Die stärksten Verwüstungen konzentrierten sich vor allem auf die westliche Talseite des Poschiavinos von Claire über Robbia, Poschiavo und weiter Richtung Süden.

In Poschiavo floss beispielsweise der Poschiavino mitten durch das Dorf, weil sich sein Flussbett durch das mitgeführte Geschiebe fast ganz aufgefüllt und er infolgedessen die Wuhren durchbrochen hatte. Die Bewohner flüchteten auf die Anhöhen. Eine Person verunglückte trotzdem tödlich in den Fluten.

In Poschiavo blieb eine fünf bis acht Fuss hohe Schlamm- und Sanddecke liegen, die teilweise auch in die Häuser eingedrungen war. Mehrere Häuser waren durch die Wassermassen stark beschädigt worden, eine kleine Mühle sogar vollkommen zerstört.

Poschiavos Brücken, Wuhren, Strassen, Felder und Wiesen wurden ebenfalls durch das Hochwasser in Mitleidenschaft gezogen oder fortgerissen. Eine totale Verwüstung des Dorfes konnte aber dank dem Krafteinsatz der Bewohner verhindert werden.

Unterhalb von Poschiavo durchbrach der Fluss noch weitere Dämme, infolgedessen er auch dort über die Ufer trat und die Wiesen mit Schlamm und Sand bedeckte.

Wie im Puschlav war auch im Bergell das Hochwasser mit dem Niedergang zahlreicher Rüfen begleitet. Die Maira und der Wildbach Albigna verwandelten beispielsweise, zusammen mit den auf beiden Talseiten niedergegangenen Rüfen, die ganze Gegend beim Dorf Vicosoprano in eine Wüste. Trotz grossen Anstrengungen der Dorfbewohner, die Schäden zu minimieren, rissen die Wassermassen ein Haus und einen Stall mit sich. Ferner standen auch mehrere Häuser dem Einsturz nahe, da sie vom Wasser unterspült wurden. Die Wassermassen der Albigna rissen ebenfalls einen Teil des zum Schutz von Vicosoprano vorgesehenen Bannwaldes mit sich fort.

In Casaccia floss wiederum der Bach während drei Wochen durch das Dorf, wobei er einige Gebäude beschädigte und die Strasse herausschwemmte. Ausserdem bedeckte das von den Wildbächen mitgeführte Geschiebematerial die Wiesen des Dorfes.

Grosse Schäden entstanden aber auch im Veltlin, insbesondere in Chiavenna und in Val S. Giacomo. Chiavenna blieb für mehrere Tage von der Aussenwelt abgeschnitten, wodurch es zu Lebensmittelengpässen kam.

In Sondrio sollen nach unbestätigten Berichten der Bündner Zeitung insgesamt 18 Häuser weggerissen worden sein.

Der durch das Hochwasser verursachte Schaden belief sich gemäss Balzar für den Kanton Graubünden auf 2’879’400 Fr. Im Puschlav gab es Schäden von 540’000 Fr., im Bergell von 187’000 Fr. und im Oberengadin wurde der Schaden gemäss Gasetta Romontscha auf 95’000 Fr. bemessen. Die Hochwasserkatastrophe führte auch in den Kantonen Wallis, Uri und Tessin zu grossen Schäden.
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Quelle Gion Caviezel: Hochwasser und ihre Bewältigung
anhand des Beispiels Oberengadin 1750 – 1900.
Lizenziatsarbeit, Bern, 2007


Weiterführende Literatur


Von Erlach, R.; Escher von der Linth, A.: Bericht über den im Canton Graubündten in den Thälern von Misox, Hinter- und Vorder-Rhein durch die Anschwellung der Gewässer vom 27. August 1834 veranlassten Schaden. Hindelbank und Zürich, Januar 1835. (Kantonsbibliothek Graubünden: Bm 500 / 5a)


La Nicca, R.: Uebersicht der an der Bernhardiner- und Splügnerstrasse durch das Naturereignis vom 27. August 1834 verursachten Verheerungen. In: “Zeitschrift über das gesamte Bauwesen”, Band 2, 1837

Alluvione del 27 Agosto 1834 in Valle Mesolcina. Extrahierte PDF-Seiten aus: A Marca, Giovanni Antonio: Compendio storico della Valle Mesolcina. Lugano, 1838. Capitolo XXV. p. 207-215


Balzer, Hans: Die Hochwasserkatastrophe von 1834. Bündnerisches Monatsblatt : Zeitschrift für bündnerische Geschichte, Landes- und Volkskunde. Band 1934, Heft 11.


Berichte der Bündner Zeitung


Bündner Zeitung, Sonntag, 31. August 1834. Nr 70

Bündner Zeitung, Mittwoch, 3. September 1834. Nr 71

Bündner Zeitung, Sonntag, 7. September 1834. Nr 72

Bündner Zeitung, Mittwoch, 10. September 1834. Nr 73

46.3259 10.0547 red
46.74 9.00512 red
46.6014 9.42595 red
46.5537 9.32341 red
46.2368 9.13081 red
46.5572 9.89959 red
46.3958 9.23485 red
46.366 9.22314 red
46.5717 9.36427 red

Das Hochwasser 1834 in der Geschichte Graubündens.

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