Gion Caviezel beschreibt in seiner Lizenziatsarbeit die Auswirkungen des Hochwassers 1839 folgendermassen:
In der Nacht vom 1. auf den 2. September 1839 regnete es nach vorausgegangenen Regenfällen so stark, dass die Bündner Gewässer stark anschwollen. Der stärker werdende Regen wurde, zumindest im Puschlav, von einem drückend feuchtwarmen Südwind begleitet.
Während das Oberengadin von Hochwasserschäden verschont blieb, entstanden infolge starker Regenfälle vor allem auf der Alpensüdseite grössere Schäden.
In der Nacht vom 2. und auf den 3. September tobte die durch das Bergell strömende und stark angeschwollene Maira besonders heftig durchs Tal. An vielen Stellen dehnte sie ihr Flussbett durch Auswühlung der Ufer aus und beschädigte dadurch beispielsweise die Gemeinde Bondo, wo Schäden an den Wiesen von rund 9’000 Fr. entstanden.
In Stampa zerstörten die Wassermassen der Maira wiederum grösstenteils eine neue Wuhre und die nach Coltura führende, solide Steinbrücke.
Noch mehr als Bondo und Stampa hatte jedoch Vicosoprano unter dem Hochwasser gelitten. Als das Wasser von mehreren Seiten ins Dorf eindrang, flüchteten die Einwohner in die auf einer Anhöhe gelegene Kirche. Die Wassermassen rissen dabei mehrere Ställe weg und unterspülten einige Gebäude. Ferner verwüsteten sie auch Vicosopranos Wiesen vollständig.
Hochwasserschäden erlitt auch Chiavenna, wo beispielsweise das Hochwasser die Bierbrauerei des Herrn Dolcino zerstörte.
Im Puschlav schwollen infolge des starken Regens die Wildbäche stark an. Zu Schäden führte aber vor allem der Cavagliasco, der in der Ebene bei Robbia ein Teil der Wuhren wegriss, die dortige Brücke zerstörte, die am Ufer stehenden Bäume entwurzelte und die Güter bis zu Ponte d’Ains überschwemmte.
In Poschiavo hielten die Wuhren den mit den Cavagliasco vereinten Wassermassen des Poschiavinos bis zur untersten Brücke des Dorfes stand. Dann aber verstopften die vom Poschiavino mitgeführten entwurzelten Bäume an der Brücke von S. Bartolomeo den Flusslauf, wodurch das Wasser über die Ufer trat. Es drang in einige Wohnungen und verursachte Schäden an der Strasse und an den Wiesen, die mit Material bedeckt wurden.
Die Wildbäche Bervanz und Pradelli tobten jedoch nicht wie anno 1834, denn sonst wäre gemäss Ansicht eines Korrespondenten der Bündner Zeitung das Dorf wahrscheinlich ganz verschüttet oder fortgerissen worden.
In Poschiavo entstanden dank der errichteten Wuhren keine so grossen Schäden wie 1834.
Weiter unten im Tal floss der Poschiavino vereinzelt über die Ufer auf Wiesen und Äcker, riss Boden weg und bedeckte ihn mit Geschiebe oder ellenhohem Sand. Der dabei entstandene Schaden war sehr gross, obwohl er nicht das Ausmass von 1834 erreichte.
Zum grossen Teil waren genau die Grundstücke vom Hochwasser betroffen, die bereits im Jahre 1834 vom Hochwasser zerstört und in der Folge wiederhergestellt worden waren.
Am 3. September klangen die Fluten aufgrund der besseren Witterung etwas ab.
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Quelle Gion Caviezel: Hochwasser und ihre Bewältigung
anhand des Beispiels Oberengadin 1750 – 1900. Lizenziatsarbeit, Bern, 2007